125 Jahre e-werk
„Ob für Licht, Wärme oder für die zahlreichen Elektrogeräte im Haushalt – elektrische Energie ist aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Als Stadtwerk ist es seit jeher unsere Aufgabe, unsere Kundinnen und Kunden jederzeit sicher mit der notwendigen Energie zu versorgen. Mit der Inbetriebnahme des Elektrizitätswerks (e-werk) am Kirschberg 1898 bestand zum ersten Mal die Möglichkeit, den Strom direkt aus Weimar für Weimar zu liefern. Zum diesjährigen Jubiläum blicken wir mit Freude zurück: In den letzten 125 Jahren hat sich nicht nur das e-werk, sondern auch die Geschichte der Elektrizität kontinuierlich weiterent wickelt und verändert.“
Jörn Otto
Geschäftsführer der Stadtwerke Weimar
Broschüre: 125 Jahre Elektrizitätswerk Weimar
In diesem achtseitigen Beileger erfahren Sie mehr über den historischen Verlauf – mit allen Höhen und Tiefen. An den ein oder anderen Wendepunkt können Sie sich vielleicht sogar selbst noch erinnern.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Wie alles begann
Am 6. November 1897 schloss die Firma Siemens & Halske mit den städtischen Behörden der Residenzstadt Weimar einen Konzessionsvertrag für die Errichtung und den Betrieb eines Elektrizitätswerkes (e-werk). Die Anlage sollte elektrische Energie für die Beleuchtung und motorische Zwecke sowie zum Antrieb einer Straßenbahn liefern. Die Bauarbeiten begannen im Frühjahr des Jahres 1898, am 15. Dezember 1898 nahm das Werk den Betrieb auf.
Historische Artikel zum e-werk
Der von den weitesten Kreisen der Bevölkerung lang erwarteten Eröffnung der hiesigen Straßenbahn, welche am gestrigen Sonntag sich zu einem allgemeinen Volksfest gestaltete, nachdem schon seit dem 22. Dezember vorigen Jahres die Zentrale als Kraftabgabestelle in Funktion und Produktion getreten war, ging am Sonnabend Vormittag die behördliche einwandlose Abnahme und Nachmittag eine Einweihungsfeier voraus, über die hier berichtet werden soll. Dieser Akt wird in der Kommunalgeschichte der Residenzstadt Weimar einen besonderen Platz beanspruchen dürfen, denn er ist der Abschluss von langwierigen und schwierigen Arbeiten und Unterhandlungen aller Art, die von dem Gemeindevorstand und dem Gemeinderat seit Jahr und Tag mit solcher Umsicht und Ausdauer betreiben worden sind, dass die gesamte Bürgerschaft sich bei Anlass zu einer einmütigen Dankmanifestation an die gegenwärtigen Behörden veranlasst sehen darf. Geschieht das auch nach alter deutscher Art zumeist im Stillen, so glauben wir doch fest überzeugt sein zu dürfen, dass just ein solche Gelegenheit der Bevölkerung klar vor Augen stellt, wie günstig und vorteilhaft sie ihre Wahl getroffen für die Leiter der Exekutive wie die der Administration der städtischen Angelegenheiten! Die insbesondere von dem so überaus verdienstvollen Herrn Oberbürgermeister, seit Jahren auf solche Verkehrserleichterungen gerichteten Bestrebungen haben ein besonderes Anrecht erwähnt zu werden in der langen Reihe all der erfolgreichen Bemühungen für Weimars Wohlfahrt und für seiner Bürger Wohlergehen deren Gesamtresultat bei dem nächstjährigen Dienstjubiläum des Herrn Geh, Regierungsrathes Papst zusammenzufassen sein wird. Ebenfalls ein Tag der Freude und berechtigter Genugtuung war dieser 3. Juni für die berühmte Weltfirma Siemens und all ihre Kollaboratoren, die für die hiesigen elektrischen Betriebe in Betracht kommen, und jedenfalls ist der allgemeine Wunsch ein aufrichtiger: dass dieser Unternehmung auch der materielle Erfolg nach keiner Richtung hin fehlen möge!
Die Feier begann Nachmittags um 4 Uhr mit einem Rundgang durch die vier Haupträume, deren Maschinen und Apparate Herrn Direktor Lattmann bezüglich ihrer Obliegenheiten und Verwendungen für die hier in Frage kommende Produktion erklärte. An dieser Besichtigung und der sich an dieselbe anschließenden Fahrt nach der Falkenburg beteiligten sich: Se. Excellenz der Herr Wirkliche Geh. Rath Staatsminister D. Rothe, Herr Ministerialdirektor Krause, die Herren Geh. Regierungsräthe Dr. Slevogt und Dr. Joh. Schmid, Herr Regierungsrat Dr. O. Schmid, Herr Oberbürgermeister Geh. Regierungsrat Papst, Herr Bürgermeister Dr. Donndorf, die Herren Stadträte Meyer, Suhle und Grosch, sowie zahlreiche Mitglieder des Gemeinderates; das Oberhofmarschallamt vertrat Herr Hofrat Heinemann, die Großherzogl. Bezirksdirektion Herr Bezirksrat Dr. Dörrien. Über den maschinellen Betrieb des Werkes werden wir, soweit dessen Details ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen, demnächst in ausführlicherer Weise berichten, wie es sich im Hinblick auf den hier zu Gebote stehenden Raum ermöglichen ließe. Angemerkt sei vorläufig, dass die Konstruktion im Großen und Ganzen wie im Einzelnen den neuesten Erfindungen Rechnung getragen hat und dass in Bezug auf Sicherheit wie auf Ökonomie alle Erfahrungen benutzt wurden, die ja gerade der Firma Siemens & Halske auf diesem Gebiet zahlreicher zu Gebote stehen wie keiner anderen.
Dass die Probefahrt der umkränzten Wagen „ganz Weimar“ herbeigelockt hatte, war selbstredend; überall stand Jung und Alt „zu Hauf“ und begrüßte die langersehnte Verkehrsmittelbereicherung mit sichtlicher Freude. Das Straßennetz Weimars, zu dessen vornehmer Stille die Glockensignale anfänglich ja manchem Ohr nicht passen mögen, wird in seinem Bilde durch das magische Leuchten der Kupferdrähte und all die sonstigen Apparate einer oberirdischen Leitung bei elektrischen Bahnen wohl eine kleine Abänderung erfahren, allein man wird sich damit um so leichter und schneller abfinden, wenn man sich an so manches Wort, an so manchen Vers der Dioskuren erinnert, welche gerade bei diesem Fest so treffliche Taufpatenschaft hätten leisten können, als seien sie just daraufhin ersonnen oder erdichtet.
Um die Festtafel, für welche durch den Keller und die Küche des Herrn Leutert, wie stets bei ähnlichem Anlass, in vortrefflicher Weise gesorgt war, vereinten sich zur feuchten Abendstunde einige dreißig Teilnehmer der Feier. Dieselbe bot außer den,wie gesagt, auch einem verwöhnten Gaumen imponierenden materiellen Genüssen mancherlei Unterhaltung, darunter zu rechnen war insbesondere die Verteilung der neuen Straßenbahn-Ansichtskarten, welche auf Anrege der gastgeberischen Firma von den Herren Putze & Hölzer in gelungenster Weise hergestellt sind und fraglos einen viel begehrten Artikel für lange Zeit hinaus bilden werden.
Die Reihenfolge der Toaste wurde eröffnet durch Herrn Berliner, dem Vertreter von Siemens Elektrischen Betrieben (Gesellschaft m.b. Haftpflicht), welcher einen Rückblick auf die Genesis des hiesigen Werkes warf, mit einem Dank für das Entgegenkommen aller Weimarischen Behörden fortfuhr und mit einem von allen Anwesenden begeistert aufgenommenen Hoch auf Se. Königl. Hoheit den Großherzog schloss, welcher von Anbeginn der Unterhandlungen dieser Unternehmung sein lebhaftes Interesse zugewendet hatte. Mit derselben allgemeinen Freude wurde es hernach begrüßt, als man ein Huldigungstelegramm an den erlauchten Landesherrn in Vorschlag und sofort in Ausführung brachte. Den Trinkspruch auf die bewährte Firma und all ihre Mitarbeiter am hiesigen Werk (die hernach auch noch im Einzelnen gefeiert wurden und in konzilianter Weise dafür replizierten) brachte Herr Oberbürgermeister Geh, Regierungsrat Pabst aus. Herr Geh. Regierungsrat Dr. Slevogt hob, indem er dem Gemeinderat für diese gemeinnützige Unternehmung dankte, mit besonderer Betonung hervor, dass diese Korporation sich bei ihrem Wirken niemals von grellen politischen Differenzen habe beeinträchtigen lassen; Herr geh. Regierungsrat Dr. Schmid brachte dem neuen Institut in humoristischer Weise die Wünsche eines Optimisten dar; mit geistvollen Aperçus schmückten die Herren Stadtrat Suhle und Stadtgutspachter Wiegand ihre Trinksprüche aus, so dass man bedauern musste, wie der immer lebhafter sich äußernden Nachtischlaune manche Pointe verloren ging. Da außer den Obgenannten auch sonst noch mancher beredte Mund die Pausen der Mahlzeitsgänge trefflich ausfüllte und alle Festgenossen das schöne Gefühl beseelte: nicht im Frack bei Tische sitzen zu müssen, so ward die Stimmung schon vor „Brot, Butter und Käse“ eine recht animierte. Das erste Fahrgeldresultat hat dieselbe am Tage darauf nicht abgeschwächt; wie wir hören, betrug die Gesamteinnahme am gestrigen Sonntag 551 Mk. 23 Pf.
Möge der Betrieb auch fernerhin unter ähnlichen Auspizien stehen!
Als treibendes Element für das hiesige neue Elektrizitätswerk ist die Verwendung von Kraftgas vorgesehen. Das Gas wird durch eine sehr einfache Vergasung aus magerer Kohle und insbesondere mit Vorteil aus Anthracit und Coaks gewonnen. Es wird erzeugt, indem man in einem Generator durch eine genügend hohe Schicht glühender Kohle mit Hilfe eines Dampfstrahlgebläses Luft hindurch drückt. Dabei entstehen Wasserstoff, Kohlenoxyd gemischt mit dem Stickstoff der Gebläseluft, sowie kleine Mengen von Kohlensäure und Kohlenwasserstoff, wobei das Brennmaterial bis auf den Aschengehalt in Gas verwandelt wird. Zur Erzeugung der zum Betriebe des Gebläses nötigen geringen Mengen Dampfes dient ein kleiner stehender Dampfkessel mit senkrechter Feuerbüchse,in welcher oben ein spiralförmig gebogenes Rohr angebracht ist, welches den Dampf bläst mit Hilfe des erwähnten Dampfstrahlgebläses die zur Vergasung notwendige Luftmenge in den Generator. Der Generator ist ein einfacher Schachtofen, bestehend aus einem cylindrischen Blechmantel, welcher innen mit feuerfesten Steinen ausgemauert ist und im unteren Teile einen gewöhnlichen Blaurost besitzt; oben ist der Mantel durch einen Deckel luftdicht abgeschlossen, auf welchem sich der Fülltrichter befindet. Das vom Gebläse kommende Gemisch von Dampf und Luft tritt unter den Rost in den Aschenkasten und durchstreift von dort aus die von oben in den Generator eingefüllten Kohlen; hierbei entsteht in der vorher angedeuteten Weise Kraftgas, welches sich zunächst im oberen Teile des Generatorschachtes ansammelt. Ein auf dem Generatordeckel angebrachter Fülltrichter hat doppelten Verschluss, und zwar je einen nach außen und nach innen. Beim Nachfüllen wird der äußere Verschluss gehoben, das Brennmaterial eingeworfen, sodann der äußere Deckel geschlossen und danach der innere geöffnet; die Kohle fällt dann, ohne das Gas entweicht, in den Generatorschacht. Die im oberen Teile des Generators sich ansammelnden noch sehr heißen Gase gelangen durch eine Rohrleitung in den Reiniger. Zunächst werden diese Gase aufwärts und abwärts durch zwei auf dem Generator stehende, oben durch ein Querstück mit einander verbunden Rippenrohre geführt, um dann durch ein horizontales Rohr dem Vorwascher zuzuströmen. Die auf dem Generator stehende Rippenrohrleitung ist mit einem Blechmantel umgeben, durch welchen das Generatorgebläse die Verbrennungsluft ansaugt; hierbei werden die heißen Gase abgekühlt und die Luft vorgewärmt; die mit den erzeugten Gasen entweichende Wärme wird dadurch wiedergewonnen und nutzbar gemacht. An dem Rippenrohre ist eine Ablassleitung angebracht, welche mit einem Hahn versehen ist, über dem sich ein Gasverbrenner befindet: dieselbe wird beim Anheizen des Generators in folgender Weise benutzt: Wird der Generator in Betrieb gesetzt, dann werden die Türen im Aschenkasten geöffnet und mittels des natürlichen Luftzuges, welcher bei geöffnetem Hahn durch die Ablassleitung selbst verursacht wird, auf dem Rost ein Feuer entzündet; ist genügend Brennmaterial aufgeworfen, dann werden die Türen am Aschenkasten geschlossen und das Gebläse in Betrieb gesetzt. Einige Zeit wird dann so gearbeitet, bis die Gaserzeugung eine gute geworden ist; der Ablasshahn wird hierauf geschlossen, und der Generator ist in normalen Betriebe. Um beim Hochblasen des Generators, wobei man die noch unbrauchbaren Gase durch die Ablassleitung ins Freie schickt, die Umgebung nicht zu belästigen, wird mit Hilfe des über dem Ablasshahn in der Ablassleitungen sich befindenden Gasverbrenners das Gas verbannt; Geruchsbelästigungen finden infolgedessen also nicht statt. Sobald der Generator in normalem Betrieb ist, sind alle Öffnungen an demselben geschlossen; der Apparat belästigt also auch dann nicht durch schlechte Gerüche.
Der Reinigung des Gases dient eine Wascherreihe, der noch ein Sägespanreiniger hinzugefügt ist. Die Wascherreihe besteht aus einem Vorwascher, einem I. Und einem II. Wascher; dieselben sind etwa bis zur Hälfte mit Wasser gefüllte gußeiserne Töpfe. Beim Vorwascher zwingt ein Krümmer, welcher etwas in das Wasser eintaucht, das vom Generator kommende Gas, sich durch das Wasser hindurchzudrängen, wobei es vom Schmutz gereinigt wird. Beim I. und II. Wascher sind die Töpfe durch eine horizontale Zwischenwand in zwei Teile geteilt; in dieser Zwischenwand befinden sich Rohre, die, wie beim Vorwascher der Krümmer, unten im Wasser eintauchen und gleichfalls das Gas zwingen, den Wasserdruck zu überwinden und durch dieselben in die untere Abteilung des Topfes zu gelangen. Durch die größere Zahl der Rohre wird das Gas besser verteilt, die Berührung mit dem Wasser eine innigere, die Reinigung eine bessere. Das Gas durchströmt nacheinander den Vorwascher, den I. Und den II. Wascher, während das Wasser,welches stets erneuert wird, in umgekehrter Richtung durchfließt; auf diese Weise kommt das frische Wasser mit dem reinsten Gase und das abgelaufene Wasser mit dem noch schmutzigen Gase in Berührung.
Hinter den Waschern ist noch eine Sägespanreiniger aufgestellt. Derselbe besteht aus einem horizontalen Kasten von etwa 1 Meter Höhe, in dem auf Holzgattern Sägespäne ausgebreitet sind, durch welche Gas von unten nach oben hindurchgeleitet wird. Dem Verschluss dieser Sägespanreiniger dienen Deckel, deren ca. 50 Zentimeter hoher Rand in eine mit Wasser gefüllte, den Reiniger umgebende Tasse eintaucht. Von Zeit zu Zeit, etwa alle vier Wochen, sind die Sägespäne aus dem Reiniger zu entfernen, um durch trockene ersetzt zu werden. Die Reiniger sind mit Rücksicht auf das Auswechseln der Späne mit der Umlaufleitung versehen, welche ein Ausschalten gestattet, ohne dass dadurch der Betrieb unterbrochen wird; das Gas strömt dann von den Waschern aus unter Umgehung des Sägespanreinigers dem Gasbehälter zu. Das aus der Reinigung kommende Gas wird in dem Gasbehälter angesammelt, von wo aus es den einzelnen
Verwendungsstellen zuströmt. Dieser Gasbehälter besteht im Wesentlichen aus einer im Wasser eintauchenden Glocke, die von dem einströmenden Gas gehoben wird. Durch Belastung oder Entlastung der Glocke wird der Gasdruck reguliert: die Glocke ist so bemessen, dass sie den zeitweilig sinkenden und steigenden Gaskonsum ausgleicht; ein Aufspeichern von Gas ist dabei also nicht beabsichtigt. Das Aufsteigen und Absteigen der Glocke wird zur Regelung der Gaserzeugung benutzt; Kettenzüge, welche von der aufsteigender Glocke selbsttätig beeinflusst werden, stellen ein in der Dampfleitung zum Gebläse befindliches Regulierventil ein.
Für die Gaserzeugung werden nun zwei Generatoren nebst Dampfkesseln, Waschern und Sägespanreinigern aufgestellt. Die Größe der Generatoren ist so bemessen, dass jeder eine genügende Menge Gas für eine Dauerleitung von 160 Pferdestärken liefern kann. Die Anlage kann also genügend Gas für einen Dauerbetrieb mit 320 Pferdestärken produzieren. Für die erste Betriebszeit wird jedenfalls ein Generator ausreichend zur Gaserzeugung sein, so dass der zweite in Reserve gehalten werden kann. Jedoch wird nur ein Gasbehälter aufgestellt, welcher genügt, um die Regulierung zwischen der Produktion und dem Verbrauch des Gases zu übernehmen. Vom Gasbehälter aus wird das zur Arbeitsleistung erforderliche Gas durch gußeiserne Rohrleitungen der Maschinenhalle und hier durch Verzweigungen in der Rohrleitung den verschiedenen Gasmotoren zugeführt. Die Gasmotoren arbeiten in der Weise, dass den Zylindern derselben durch ein besonderes Ventil für jede Umdrehung ein bestimmtes Quantum von Gas mit Luft gemischt zugeführt und dieses Gemisch durch einen kleinen Magnetinduktor zur Entzündung und Verbrennung gebracht wird. Das verbrennende Gas entwickelt eine ganz bedeutende Energie sich auszudehnen und treibt durch dieses Bestreben den Kolben des Zylinders vor sich her, dessen Kolbenstange wieder durch Übermittlung der Vorwärtsbewegung auf die Kurbelstange eine Drehung der Schwungradwelle herbeiführt. Es werden vorerst zwei Generatoren für eine Leistung von je 110 Pferdestärken und ein solcher für eine Leistung von 65 Pferdestärken aufgestellt. Der eine 100 Pferdestärke-Gasmotor dient im Speziellen für den Betrieb der Lichtmaschine, der 65 Pferdestärken-Gasmotor für den Betrieb der Bahnmaschine. Der zweite 100 Pferdestärken-Gasmotor dient zur Reserve. Die von den Gasmotoren gelieferte Triebkraft wird durch breite Treibriemen auf die Riemscheiben der Dynamomaschine übertragen. Es sind vier Dynamomaschinen aufgestellt worden, von denen zwei zur Stromerzeugung für den Lichtkonsum, zwei zur Stromerzeugung für die elektrische Straßenbahn dienen sollen. Für den normalen Betrieb genügt vorerst je eine dieser Maschinen, die beiden zweiten dienen als Reserve. Die eine Lichtmaschine wird von dem 100 Pferdestärke-Gasmotor, die eine Bahnmaschine von dem 65 Pferdestärke-Gasmotor angetrieben. Die übrigen zwei Dynamos stehen dem zweiten 100 Pferdestärke-Gasmotor gegenüber. Dieser ist mit einer Riemscheibe, welche gegen das Schwungrad der Motorwelle geschraubt ist, von solcher Breite ausgestattet, dass zwei Treibriemen neben einander auf derselben laufen können. Je nach Bedarf kann nun dieser Gasmotor zum Antrieb der Reserve-Licht-Dynamo oder der Reserve-Bahn-Dynamo verwandt werden. Die Lichtmaschinen sind jede für eine Leistung von 360 Ampère bei 220 Volt, die Bahnmaschinen jede für eine Leistung von 90 Ampère bei 500 Volt gebaut. Die von den Dynamomaschinen durch auf den Stromsammlern schleifende Bürsten übernommenen elektrischen Ströme werden durch Kabel an das Schaltbrett geführt. Das Schaltbrett, auf welchem sich die verschiedenen zur Regulierung, Beobachtung und Handhabung der Dynamomaschinen erforderlichen Apparate befinden, ist im Wesentlichen aus Eisen und Marmor hergestellt. Die verschiedenen Instrumente auf dem Schaltbrett sollen dem Maschinenpersonal jederzeit eine genaue Kontrolle über die Betriebsverhältnisse auszuüben ermöglichen und ihnen die erforderlichen Anhaltspunkte bei der Handhabung der übrigen Apparate geben. Wie schon der Name andeutet, dient das Schaltbrett dazu, den erzeugten Strom zu schalten, d.h. ihn in die gewünschten Wege überzuführen. Der Strom sowohl für die Lichtanlage wie auch für die Bahnanlage kann nun durch Handhabung einiger weniger Apparate von hier aus entweder direkt nach außen in das Lichtleitungsnetz bzw. in die Arbeitsleitung der elektrischen Bahn, oder auch in die zur Unterstützung der Dynamomaschinen aufgestellten Akkumulatorenbatterien oder auch gleichzeitig in beide geleitet werden.
Elektrischer Strom für Beleuchtungszwecke wird im Wesentlichen nur in den Abendstunden gebraucht; aber auch in den Tages- und späteren Nachtstunden findet noch hier und da ein Lichtbedürfnis in beschränkterem Maße statt. Es würde sich nicht bezahlt machen, für solch geringes Lichtbedürfnis dauernd eine große Maschine in Betrieb zu halten. Deshalb wird zur Deckung des geringen Tages- und Spätnacht-Konsums eine Akkumulatorenbatterie aufgestellt. Damit die Batterie Strom abgeben kann, ist es nötig, dass sie vorher Strom erhält, dass sie geladen wird. Man verfährt nun im Betriebe folgendermaßen: Wie ich schon früher erwähnte, arbeitet jede Maschine am günstigsten, wenn sie mit der Belastung beansprucht wird, für welche sie berechnet bzw. gebaut ist, d.h., sie braucht bei voller Belastung für jede zu leistende Pferdestärke das verhältnismäßig geringste Quantum des treibenden Elements, also hier des Gases. Die Betriebskosten werden also am niedrigsten gehalten, wenn ich die Maschine mit ihrer vollen Leistung arbeiten lassen kann. Dazu ist aber durch Akkumulatoren ein bequemes Mittel gegeben. Nehmen Sie einmal an, es würden in dem Leitungsnetze des Elektrizitätswerkes so viele Lampen eingeschaltet, dass, um dieselben mit Strom versehen, ein Arbeitsaufwand von 50 Pferdestärken erforderlich wäre.
Diese Strommenge aus der Akkumulatorenbatterie zu entnehmen, würde schon unrationell sein. Ich benutze zur Stromlieferung deshalb jetzt schon lieber eine Dynamomaschine, die ich nun aber nicht mit 50, sondern mit 100 Pferdestärken arbeiten lasse. Mit der Hälfte dieser Leistung decke ich die für den Konsum im Leistungsnetz erforderliche Strommenge, während ich die überschüssige Leistung von 50 Pferdestärken dazu verwende, Strom in die Akkumulatorenbatterie zu schicken, dieselbe also zu laden. So ist in jeder größeren Anlage eine Akkumulatorenbatterie ein sehr wertvolles Element, mit welchem die Möglichkeit gegeben ist, die Maschinen stets mit der für die Betriebskosten günstigsten Arbeitsleistung belasten zu können. Aber noch einen weiteren Vorteil bietet die Verwendung der Akkumulatoren. In den Abendstunden kann eventuell der Stromverbrauch im Leistungsnetze so weit anwachsen, dass wir nicht in der Lage sein würden, mit der 100 Pferdestärke-Maschine genügend Strom zu schaffen. Wenn nun dafür gesorgt ist, dass die Batterie bis zum Eintritt der voraussichtlich größten Konsumstunden des Tages geladen ist, so kann sie jetzt, wenn die Maschine allein nicht mehr die ganze zur Deckung des Konsums erforderliche Strommenge liefern kann, dieselbe unterstützen und gleichzeitig mit der Maschine Strom an das Leitungsnetz abgeben. Einen ähnlichen Zweck verfolgt die für den Bahnbetrieb aufgestellte Batterie. Bei diesem treten allerdings die Belastungsschwankungen während des Tages fortwährend und zwar in viel stärkerem Maße als beim Lichtbetrieb auf. Es wird nun hier durch die Batterie bezweckt, dass die eigentliche Betriebsmaschine, also der 65 Pferdestärke-Gasmotor, während der ganzen Betriebsdauer mit nahezu gleicher Belastung arbeiten soll. Befinden sich die sämtlichen Wagen der Bahnstrecke in einem gegebenen Moment in glatter Fahrt, so ist der für die Fortbewegung der Wagen erforderliche Strom so gering, dass nur ein Teil der 65 Pferdestärken davon in Anspruch genommen wird; der überschießende Rest geht dann als Ladung in die Batterie; tritt einmal ein Moment ein, wo sämtliche Wagen der Strecke vielleicht auf den Haltestellen stillstehen, so brauchen dieselben für diesen Moment überhaupt keinen Strom und der ganze durch den 65 Pferdestärke-Motor erzeugte Strom wird dann zur Ladung der Batterie verwandt. Umgekehrt aber kann es auch vorkommen, dass die sämtlichen Wagen der Strecke im gleichen Moment in Gang gesetzt werden sollen und dann zum Anlaufen eine so große Energie gebrauchen, dass der 65 Pferdestärken-Motor allein nicht genügend Strom zu liefern vermöchte. Dann kommt ihm die Batterie zu Hilfe und gibt die fehlende Strommenge an die Arbeitsleistung zu. Die Batterien sind so groß bemessen, dass sie, wenn vollständig geladen, für einige Stunden ebenso viel Strom abgeben können, wie die bezüglichen Dynamomaschinen.
Der Strom, welcher für die Benutzung der Lampen im Leitungsnetz gebraucht wird, wird den Verbrauchsstellen durch unterirdisch verlegte Kabel zugeführt. Um ein gleichmäßiges Licht durch den elektrischen Strom zu erhalten, ist es notwendig, dass auch der Druck, die Spannung, mit welcher der Strom durch die Leistungen und Beleuchtungsapparate fließt, ein gleichmäßiger bleibe. Wie ich früher erwähnte, soll die Dynamomaschine den Strom mit einer ganz bestimmten Spannung liefern. Das ist aber nicht so ganz wörtlich zu verstehen, denn in beschränkten Grenzen lässt sich die Spannung jeder Dynamomaschine doch variieren, und zwar kann der Maschinist durch Handhabung einiger diesem Zweck dienender Apparate am Schaltbrett die Spannung in diesen Grenzen je nach Bedarf höher oder niedriger einstellen. Während der Strom die Leitungen durchfließt, verrichtet er Arbeit. Bei jeder Umsetzung von Arbeit finden aber Verluste statt, denn, wenn das nicht der Fall wäre, so wären wir heute schon im glücklichen Besitze des Perpetuum mobile. Der größte Teil der elektrischen Arbeit setzt sich nun in den Lampen in Licht um. Ein geringer Teil der Arbeit geht aber auch in den Leitungen verloren. Von der Strommenge selbst kann nichts entweichen wenn durch gute Isolation der Leitungen dafür gesorgt ist, dass der Strom nur die ihm vorgeschriebenen Wege geht, genau so wie bei einer vollständig dichten Wasserleitung kein Tropfen Wasser unbenutzt verloren gehen kann. Wie aber in jeder Wasserleitung mit der Länge der Leitung der Druck geringer wird, als am Anfang derselben, so geht auch in den elektrischen Leitungen ein kleiner Teil des Druckes, der Spannung, verloren, und zwar geht um so mehr verloren, je größer die Strommenge ist, welche ich transportieren will, und je länger der von derselben zurückgelegte Weg ist. Es geht daraus hervor, dass ich, um den Lampen stets Strom von gleichem Druck, gleicher Spannung, liefern zu können, in der Maschinenstation einen umso höheren Druck herstellen muss, als ich in den Leitungen bis zu den Lampen verliere. Der im Leistungsnetz gebrauchte Strom wird nun durch eine Anzahl von Kabeln zunächst bis zu den an verschiedenen Punkten des Leitungsnetzes aufgestellten Speisekasten geführt. Auf dem Wege von der Maschinenstation bis zu diesen Speisekasten wird den kabeln kein Strom entnommen, d.h. an diese Kabel dürfen keinerlei Lampen angeschlossen werden. In den Kabeln selbst befindet sich eine von der eigentlichen stromführenden Kabelseele getrennte dünne isolierte Leitung.
Diese spezielle als Mess- oder Prüfdraht bezeichnete Leitung wird erst im Speisekasten selbst mit der stromführenden Kabelseele verbunden und kann nun einen Teil des bis hierher transportierten Stromes bis zur Maschinenstation zurückführen. Wie die Bezeichnung andeutet, dient diese einzelne Leitung zum Prüfen, und zwar wird durch dieselbe die Möglichkeit gegeben in der Maschinenstation sich davon zu überzeugen, welchen Druck- oder Spannungsverlust der durch die Kabelseele bis zum Speisekasten transportierte Strom erleidet, bzw. welche Spannung überhaupt an diesen Speisepunkten noch vorhanden ist. Durch Erhöhung oder Herabsetzung der Spannung der Maschinen sorge ich nun in vorhin erwähnter Weise dafür, dass die Spannung an diesen Speisepunkten stets auf gleicher Höhe bleibt. Das nutzbare Netz der Leitungen, von welchem aus der Strom an die verschiedenen Verbrauchsstellen verteilt werden kann, beginnt also erst von diesen Speisepunkten aus und wird demgemäß auch als Verteilungsnetz bezeichnet. Die Querschnitte der für das Verteilungsnetz zu verwendenden Kabel sind nun so berechnet und bemessen, dass der Spannungsverlust in diesen ein so geringfügiger ist, dass er für die Helligkeit der Lampen nicht mehr von Belang ist. Daneben kann ich auch, da mir die Querschnitte der Leitungen bekannt sind, rechnerisch feststellen, wie groß der Spannungsverlust in diesen Leitungen noch sein wird, und durch entsprechende geringe Erhöhung der Spannung für die Speisepunkte dafür sorgen, dass dieser Verlust im Verteilungsnetz gleichfalls noch durch etwas erhöhte Spannung der Maschinen ausgeglichen wird.
Der Strom für den Betrieb der elektrischen Straßenbahn wird den einzelnen Wagen durch blanke in bestimmter Höhe über dem Terrain gespannte Kupferleitungen zugeführt. Wie ich mit einer Dynamomaschine die ihr zugeführte mechanische Arbeit in elektrischen Strom umwandeln kann, so kann ich auch dadurch, dass ich elektrischen Strom durch eine Dynamomaschine zirkulieren lasse, mechanische Arbeit leisten. Der Elektromotor ist weiter nichts als eine in dieser Weise wirkende Dynamomaschine. Auf den Wagengestellen der Motorwagen sind je zwei Elektromotoren von je fünfzehn Pferdestärken angebracht. Denselben wird der von der Maschinenstation zufließende Strom durch Vermittlung eines sogenannten Kontaktbügels, welcher einerseits die blanke über den Geleisen der Bahnlinie gespannte Arbeitsleitung berührt und andererseits mit einem Pol des Elektromotors verbunden ist, zugeführt. Der Strom passiert den Motor, versetzt ihn in Umdrehung, welche sich auf die Wagenachsen überträgt und tritt am anderen Pol wieder aus demselben heraus. Dieser zweite Pol steht nun in leitender Verbindung mit dem eisernen Wagengestell, also auch mit den Rädern des Wagens. Der Strom gelangt so also zu den Schienen und von diesen zur Station und über das Schaltbrett, zu welchem von den Schienen aus eine Überleitung aus Kupferdraht hergestellt ist, zur Maschine bzw. zu den Akkumulatoren zurück.